Datum | 25.03.2025 |
Ort | Zürich |
Gast | Markus Farner (BAZL) |
Interviewerin | Riva Pinto |
Als ehemaliger Leiter der Abteilung «Strategie und Innovation» beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) gilt Markus Farner als einer der profiliertesten Vordenker in der Schweizer Drohnenlandschaft. Mit seinem Engagement prägte er die strategische Ausrichtung der Schweiz hin zu einer innovativen, aber zugleich verantwortungsvollen Integration von Drohnentechnologie in den nationalen und internationalen Luftraum.
Im Interview teilt er seinen persönlichen Blick auf die Balance zwischen technologischen Entwicklungen und regulatorischen Anforderungen. Seine Einschätzungen geben spannende Einblicke in ein hochdynamisches Feld, in dem Innovation, Sicherheit und internationale Zusammenarbeit eng zusammenspielen.
Ein Gespräch über die mögliche Zukunft der Luftfahrt und die wichtige Rolle, die visionäre Ideen und kluge Regulierung dabei spielen können.
BAZL: bazl.admin.ch
Riva Pinto: Drohnen spielen in der Luftfahrt eine immer grössere Rolle. Welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden, damit sie sich sicher und effizient in den regulierten Luftraum integrieren lassen?
Markus Farner: Der Schlüssel liegt darin, die potenziellen Konflikte zwischen bemannter und unbemannter Luftfahrt so weit wie möglich zu minimieren. Dafür braucht es zwei Dinge: Zum einen den sogenannten U-Space, der definierte Luftraumsegmente speziell für Drohnen vorsieht und dort den Verkehr organisiert. Zum anderen verlässliche „Detect-and-Avoid“-Systeme, die es Drohnen ermöglichen, andere Luftfahrzeuge rechtzeitig zu erkennen und auszuweichen.
Pinto: Wie weit ist die Schweiz mit der Implementierung des U-Space-Konzepts?
Farner: Wir sind da relativ weit. Der erste U-Space in der Region Zürich wird sicher noch dieses Jahr eingerichtet werden. Das ist auch das Resultat jahrelanger Vorarbeit: Schon vor einigen Jahren konnten wir auf dem ETH-Campus Hönggerberg demonstrieren, dass das Konzept technisch funktioniert. Aber wie bei vielen Innovationen stecken wir in einer klassischen Henne-Ei-Situation: Solange es keinen U-Space gibt, gibt es kaum Drohnenverkehr, der ihn braucht. Und solange es keinen Verkehr gibt, lohnen sich die Investitionen für Service Provider nicht. Deshalb braucht es in der Anfangsphase eine gezielte Anschubfinanzierung.
Pinto: Regulierungen sollen Innovation ermöglichen, aber auch Sicherheit gewährleisten. Wie gelingt dieser Spagat?
Farner: Das Luftfahrtrecht ist international – und die Schweiz ist Teil der EASA, der europäischen Agentur für Flugsicherheit. Das hat den Vorteil, dass wir harmonisierte Regeln haben, was Unternehmen den Zugang zum europäischen Markt erleichtert. Allerdings bedeutet das auch: Statt einer schlanken nationalen Regulierung auf einer A4-Seite haben wir nun ein komplexes Regelwerk mit mehreren hundert Seiten. Ein Problem ist die unterschiedliche Rechtskultur innerhalb Europas: In Frankreich oder Deutschland gilt oft das Prinzip „Was nicht erlaubt ist, ist verboten“. In Großbritannien oder den nordischen Ländern ist es umgekehrt. Alle 33 EASA-Mitgliedsstaaten unter einen Hut zu bringen, ist nicht trivial. Trotzdem enthält das Regelwerk gewisse Spielräume, die wir in der Schweiz möglichst innovationsfreundlich nutzen wollen.
In der Schweiz haben wir den Vorteil, dass wir schon vor dem Inkrafttreten des europäischen Rechts Erfahrung mit der Regulierung von Drohnenprojekten gesammelt haben. Damals war das Verfahren deutlich einfacher. Jedes Projekt wurde individuell geprüft – ein pragmatischer Ansatz, der gut funktioniert hat. Auch heute betrachten wir Vorhaben weiterhin im Einzelfall, aber der Spielraum ist durch die europäischen Vorgaben etwas enger geworden.
Pinto: Einzelprüfungen für jedes Projekt bringen sicherlich einen grossen Aufwand mit sich.
Farner: Ja, aber sie sind nötig, wenn man Innovation wirklich fördern will. Denn jedes Projekt bringt neue Ansätze mit sich. Natürlich war uns von Anfang an klar, dass das bei größerem Volumen keine nachhaltige Lösung ist. Aber in der jetzigen Entwicklungsphase ist die Einzelprüfung oft unverzichtbar.
Pinto: Ein zentrales Thema bei kommerziellen Drohneneinsätzen ist der sogenannte BVLOS-Flug, also Flüge außerhalb der Sichtlinie. Wie ist der Stand in der Schweiz?
Farner: In der Schweiz erfolgt die Genehmigung solcher Einsätze derzeit auf Basis des SORA-Prozesses. Das ist eine Risikobewertung, bei der jeder Betrieb in eine sogenannte „SAIL“-Kategorie (Specific Assurance and Integrity Level) eingeordnet wird. Die Anforderungen richten sich danach, wie das Risiko auf ein akzeptables Maß reduziert werden kann. Eine pauschale Aussage ist dabei schwierig.
Es gibt aber gewisse Erfahrungswerte: Zum Beispiel ist bekannt, dass unterhalb von 150 Metern außerhalb von Flugplätzen hauptsächlich Helikopter unterwegs sind. Nachts wiederum ist der Luftraum nahezu frei von unbekanntem Verkehr. In Regionen mit regem Freizeitflugverkehr, etwa durch Gleitschirmflieger, helfen individuelle Absprachen oder digitale Systeme wie das Open Glider Network. Weil derzeit weder flächendeckende U-Space-Zonen noch zuverlässige Detect-and-Avoid-Systeme verfügbar sind, braucht es solche pragmatischen Anhaltspunkte.
Pinto: Die Schweiz gilt international als „Testlabor“ für Drohnentechnologien. Was macht den Standort so attraktiv?
Farner: Die heutige Position der Schweiz hat sich über viele Jahre entwickelt. Bereits 2007 begann das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL), sich intensiv mit unbemannter Luftfahrt zu beschäftigen – zu einer Zeit, als die Regulierung noch sehr flexibel war. Wir hatten einfache Regeln, innovationsfreudige Hochschulen und den politischen Rückhalt, das Thema voranzubringen. Das hat es ermöglicht, dass sich Schweizer Firmen gut entwickeln konnten und auch internationale Unternehmen gezielt in die Schweiz kamen.
Heute ist der regulatorische Rahmen komplexer, bietet aber durch die Anbindung an Europa auch neue Chancen, etwa beim Marktzugang. Der Wille, Innovation zu fördern, ist auf Behördenseite weiterhin da. Schwieriger wird es, wenn Unternehmen nicht aus der Luftfahrt kommen und wenig Erfahrung mit sicherheitsrelevanten Prozessen der Luftfahrt haben. Für die Behörden bedeutet das intensive Unterstützung, was angesichts beschränkter Ressourcen nicht immer einfach ist. Trotzdem versuchen wir, den Spielraum bestmöglich im Sinne der Innovation zu nutzen.
Pinto: Und welche Rolle nehmen dabei Testgelände ein?
Farner: Testgelände sind grundsätzlich eine gute Sache. Sie ermöglichen es, neue Technologien unter kontrollierten Bedingungen auszuprobieren. In der Schweiz ist das aber wegen der Kleinräumigkeit schwierig. In abgelegenen Regionen wie Nord-Alberta kann eine Drohne risikofrei einfach so fliegen, bis der Akku leer ist. Hier ist das nicht möglich. Deshalb kooperieren wir mit solchen Regionen, damit Schweizer Firmen bei Bedarf dort testen können. In der Schweiz selbst gilt: Das Fluggerät muss im definierten Testgebiet bleiben – das ist zentral. Je näher dieses Gebiet an bewohntem Raum oder Infrastruktur liegt, desto höher die Anforderungen. Firmen wollen oft schnell iterieren – modifizieren, testen, wieder modifizieren. Dafür ist das geltende Regelwerk nicht ideal, aber wir arbeiten daran, innerhalb aller Sicherheitsanforderungen testfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
Pinto: Wie könnte der Schweizer Luftraum in 15 bis 20 Jahren aussehen?
Farner: Ich sehe zwei Seiten. Einerseits faszinieren mich die technologischen Möglichkeiten. Andererseits sind mit mehr Luftverkehr in Bodennähe auch Lärmprobleme verbunden – gerade bei urbanen Drohneneinsätzen. Flugtaxis oder VTOLs in Städten wie Zürich sehe ich als schwierig an. Die Infrastruktur fehlt, und man müsste ständig zu Vertiports fliegen, was logistische Herausforderungen mit sich bringt. Für den Weg vom Hauptbahnhof zum Flughafen braucht man heute zehn Minuten mit dem Zug. Das ist schwer zu toppen. Daher wird der Bedarf an städtischen Lufttaxis in der Schweiz begrenzt sein, auch wenn es sicher eine Entwicklung gibt.
Wichtig ist, dass wir in der Schweiz an der Technologie arbeiten, da wir viele kluge Köpfe haben, die Innovationen vorantreiben. Das stärkt unsere Industrie, wenn diese Technologien hier entwickelt und produziert werden.